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14. Juni 2023

„Asylkompromiss“ – Das soll ein historischer Erfolg sein? Wohl eher ein historisches Disaster!

Es ist beschämend beim aktuellen Asylkompromiss von einem Erfolg zu sprechen. Kern der Einigung sind geplante „Asylverfahren an EU-Außengrenzen“. Diese sollen für bestimmte Personengruppen mit geringer Bleibeperspektive (EU-weite durchschnittliche Anerkennungsquote eines Herkunftsstaates von unter 20%) gedacht sein. Laut EU-Asylagentur waren 2021 darunter auch unter anderem Russland, Pakistan, Bangladesch & Nigeria. Hierbei wird das individuelle Recht auf Asyl ausgehebelt. Es lässt auch völlig außer Acht, dass auch in „Nichtkriegsgebieten“ bestimmte vulnerable Gruppen von Verfolgung bedroht sein können, z.B. Oppositionelle.


Für uns als Jusos-Rhein-Erft als Jugendorganisation besonders beschämend ist, dass auch Kinder hiervon betroffen sein werden. Nur sogenannte unbegleitete Minderjährige sollen in der Regel ausgenommen werden – andere Kinder müssen mit ihren Angehörigen hinter Stacheldraht.

Außenministerin Baerbock (Grüne) & Innenministerin Faeser (SPD) behaupten, dass die Regelung ausschließen würde, dass auch Schutzsuchenden z.B. aus Afghanistan oder Syrien in die Grenzverfahren kommen. Das ist schon aktuell nicht der Fall, wenn die Geflüchteten ohne Reisepass ankommen & der Vorwurf im Raum steht, dass sie den Pass absichtlich entsorgt haben. Außerdem können die EU-Mitgliedsstaaten entscheiden, das Grenzverfahren darüber hinaus noch auf weitere Asylsuchende auszuweiten.[1] Zum Beispiel auf alle Personen, die über einen angeblich „sicheren Drittstaat“ in die EU eingereist sind. De facto beträfe das alle syrischen und afghanischen Geflüchteten in Griechenland, da Griechenland die Türkei als „sicher“ ansieht.

Seit dem Jahr 2016 gibt es das EU-Modellprojekt „Asylverfahren an der Grenze“ auf den ägäischen Inseln in Griechenland.[2] Hier zeigt sich was droht, wenn der Kompromiss durch das EU-Parlament geht und verabschiedet wird. Dort herrschen sogenannte „haftähnliche“ Bedingungen. Unter diesen Bedingungen des eingesperrt seins gibt es kein rechtsstaatliches Asylverfahren. Es gibt laut der Geflüchtetenorganisation Pro Asyl keinen Zugang zu unabhängiger Unterstützung. Der Zutritt für NGO‘s sei schon jetzt nicht sichergestellt und selbst für Anwält:innen erschwert. Dadurch komme es auch zu falschen Ablehnungen. Zudem seien die Essensversorgung und auch die medizinische Versorgung mangelhaft. Des Weiteren seien die Menschen oft noch von der Flucht traumatisiert und in einem psychischen Ausnahmezustand. Somit führe eine Inhaftierung zu einer zusätzlichen Belastung und wirke wie eine Bestrafung dafür, einen Asylantrag gestellt zu haben.

Laut Pro Asyl werde insgesamt das „Leid größer und die Menschlichkeit geringer“. Für uns Jusos klingt das alles eher nach Abwehrpolitik als nach Asylpolitik.

Wir als Jusos-Rhein-Erft fragen uns, wann wir in der EU die Menschlichkeit verloren haben. Soll das unsere europäische Antwort auf diese humanitäre Krise sein? Haben wir vergessen, dass das Handeln der westlichen Staaten (also von uns) in großem Maße zur Flucht der Menschen beiträgt? Haben wir vergessen, dass die westlichen Staaten (also wir) ihre Interessen auch in (Bürger-)Kriegen, z.B. in Afghanistan oder Syrien verfolgen? Aus diesen zerstörten Gebieten flieht immerhin ein Großteil der Menschen. Sind wir da nicht in der Verantwortung?

Runtergebrochen auf die Kommunen in Deutschland, also bei uns vor der Tür, löst dieser Kompromiss, sofern er kommt, keinerlei Probleme. Hier braucht Bundesjustizminister Buschmann (FDP) wohl noch Nachhilfe, glaubt man seinen Tweets. Bis dieser in Kraft wäre, würde es aus bürokratischen Gründen wohl noch Jahre dauern. Es braucht hier mehr Finanzierung und mehr Personal, das den Kommunen zur Verfügung gestellt werden muss. Wir müssen außerdem weg von zentralen Unterkünften hin zu dezentralen Unterbringungen in den Städten. Wie es gehen kann, zeigte sich bei den Ukrainer:innen. In Deutschland wurden bis heute etwa eine Millionen Ukrainer:innen aufgenommen. Diese wurden mit einem Schutzstatus ausgestattet und können auch privat unterkommen. Warum behandeln wir andere Kriegsgeflüchtete nicht gleich, wie die Ukrainer:innen? In Afghanistan und Syrien erfahren die Menschen das gleiche Leid, wie die Menschen in der Ukraine.

Es braucht nachhaltigen Handel und ein Ende der Zusammenarbeit mit Autokrat:innen, Diktator:innen und nichtstaatlichen Akteur:innen, die Geflüchtete an der Einreise nach Europa hindern sollen. Kein Abkommen wie mit der Türkei. Es braucht allgemeine Konzepte zur Bekämpfung von globalen Ungleichheiten.[3] Das muss die europäische Antwort sein. Dies wäre ein historischer Erfolg Frau Faeser!

[1] Erwägungsgrund 40b der Asylverfahrensverordnung: »In other cases, such as when the applicant is from a safe country of origin or a safe third country, the use of the border procedure should be optional for the Member States«
[2] Hintergründe: https://rsaegean.org/en/ccac-aegean-islands-greece/
[3] Schweriner Manifest, S.57


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