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Aktuelles

20. Oktober 2023

Festung Europa? Asylpolitik: Gewissen- und verantwortungslos.

Nun also doch. Der Widerstand gegen die unmenschlichen Verschärfung im europäischen Asylrecht ist gebrochen – nach einem Machtwort von Kanzler Scholz. Wir hatten im Blog über die Pläne berichtet. Damit hat die Bundesregierung nun doch ihr humanitäres Gewissen und ihre Verantwortung an der Garderobe abgegeben. Es ist beschämend und unmenschlich, wie sich die EU und auch Deutschland hier insgesamt verhalten. Soll das unsere Antwort auf die absolut herausfordernde Situation sein? Viele Kommunen und Städte sind völlig überfordert und haben keinen Überblick und keine Plätze mehr. Aber rechtfertigt das Camps mit miserablen Lebensbedingungen und hinter Stacheldraht, in denen Geflüchtete monatelang festgehalten werden könnten? Anstatt die Geflüchteten verantwortlich zu machen und auf Abschottung zu setzen, sollten die Kommunen und Städte nicht weiter von Land und Bund im Regen stehen gelassen werden sondern diese finanziell so unterstützt werden, dass diese die Personen adäquat und menschenwürdig unterbringen können.

In der Öffentlichkeit werden bisher aber eher Scheindebatten geführt. Sei es Frau Faeser als Bundesinnenministerin der SPD die „Clanmitglieder:innen“ ohne rechtsstaatliches Verfahren alleine aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Familie abschieben wollte. Oder die wieder aufgewärmte Obergrenzendebatte der CDU um ihren, gegen Geflüchtete und Asylsuchende hetzenden, Vorsitzenden Friedrich Merz. Liebe CDU, dieses Ablenkungsmanöver ist durchschaubar. Der Bevölkerung eine einfache angebliche Lösung für ein komplexes Problem zu verkaufen verfestigt Vorurteile und treibt die Leute in die Arme von Populist:innen.
Zunächst einmal werden die Menschen trotzdem den Weg nach Europa finden, solange sie vor Krieg, Unterdrückung, Todesangst oder aus politischen Gründen fliehen müssen. Betonung auf müssen. Ein Großteil der Asylsuchenden möchte ihre Heimat eigentlich nicht verlassen. Sie haben dort Familie und Freunde. Sie sind dort kulturell verwurzelt. Niemand flieht freiwillig. Die Menschen können aber nicht anders. Aus Angst vor Tod und aus Mangel an Essen und Trinken und aus dem Wunsch, in Frieden leben zu können. An all diesen Gründen tragen wir westliche Staaten und damit auch wir persönlich mit unserem ausbeuterischen Handeln in der Vergangenheit und Gegenwart eine deutliche Mitschuld aus der sich auch eine Verantwortung ergibt.

Fakten statt Vorurteile

Anstatt Vorurteile zu schüren sollten wir in der Diskussion zurück zu den Fakten kommen. Hier räumen wir mal mit einigen der gängigsten Vorurteile auf und schauen auf die Fakten:

„Deutschland kann nicht alle aufnehmen!“ – dass ist grundsätzlich richtig, allerdings macht Deutschland das auch nicht.

20% aller Geflüchteten haben in Ländern Schutz gefunden, die durch die Aufnahme Schutzsuchender viel stärker herausgefordert werden, als reiche Länder, wie Deutschland.*

„Das sind doch alles Asyltourist*innen und Wirtschaftsflüchtlinge!“ – stimmt nicht.

Die meisten Schutzsuchenden fliehen vor Gewalt und Terror. 2022 kamen 52% Prozent aller Geflüchteten aus nur drei Ländern: Syrien, der Ukraine und Afghanistan.* In diesen Ländern herrschen Unsicherheit und Gewalt, toben Kriege, ethnische Konflikte oder der Terror, wie durch die Taliban.*

„Flüchtlinge kommen nur, um vom deutschen Sozialstaat zu profitieren und kriegen mehr als Deutsche!“ – im Gegenteil.

Zunächst bekommen Asylsuchende weniger Geld vom Staat als bedürftige Deutsche. Der Regelbedarf bei Bürgergeld für Alleinstehende beträgt mtl. 502€.* Asylsuchende haben solange der Asylantrag nicht genehmigt ist, keinen Anspruch auf Bürgergeld. Es stehen ihnen geringere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu. Demnach erhalten Alleinstehende Asylsuchende höchstens 410€.* Zusammengerechnet liegen die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz also unter dem Regelbedarf bei Bürgergeld. Hinzu kommen eingeschränkter Anspruch auf medizinische Versorgung sowie zahlreiche Kürzungsmöglichkeiten. Es ist somit sehr unwahrscheinlich, dass Menschen wegen solcher Geldbeträge die erheblichen Risiken für ihr Leben auf sich nehmen, die mit der Flucht verbunden sind. Anerkannte Geflüchtete haben bei Bedürftigkeit die gleichen Ansprüche auf Sozialleistungen wie deutsche Staatsangehörige – nicht mehr und nicht weniger. Die aktuell oft zu hörenden Ängste der in Deutschland lebenden Bevölkerung um das eigene Einkommen und die persönliche Zukunft sind zutiefst menschlich und daher verständlich. Diese Ängste jedoch auf dem Rücken notleidender Schutzsuchender abzuladen ist weder angebracht noch der richtige Weg.

„Flüchtlinge sind kriminell.“ – stimmt. ABER

Im Jahr 2022 wurden in der Bundesrepublik 2.093.782 Tatverdächtige erfasst, darunter 310.062 Zuwander:innen. Das sind knapp 15% aller Tatverdächtigen.* Zieht man jedoch die Tatverdächtigen im Bereich ausländerrechtlicher Verstöße (wie etwa illegale Einreise oder Aufenthalt) ab, liegt der Anteil an Zuwander:innen an der Allgemeinkriminalität bei nur 6,8 Prozent. Diese ausländerrechtlichen Verstöße können von anderen Bevölkerungsgruppen gar nicht begangen werden. Dabei sinkt der Anteil der Zuwander:innen unter den Tatverdächtigen seit 2018 kontinuierlich – und das obwohl die Zahl der Neuankömmlinge, die Asylerstanträge gestellt haben, seit 2015 gestiegen ist.*
Diese Zahlen müssen zudem immer in ihrem gesellschaftlichen Kontext gesehen werden. Denn ob jemand straffällig wird, hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab, unter denen nationale Herkunft und Kultur höchstens eine untergeordnete Rolle spielen.

Anstatt der AFD nach dem Mund zu reden, sollte lieber ehrlich, faktenbasiert und mit Anstand diskutiert werden und endlich eine adäquate und bedarfsgerechte Unterstützung der Kommunen und Städte erfolgen.

Wann haben wir die Menschlichkeit und den Anstand verloren?

Quellen (nach Reihenfolge der * im Text):


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