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Zum Entwurf des CDU-Grundsatzprogramms – was lange währt und so…
„Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“ – das war einmal ein Wahlslogan der CDU unter Merkel. In der Gesellschaft, die der Entwurf des neuen Grundsatzprogramms der CDU skizziert kann eigentlich niemand gut und gerne leben wollen. Modern ist hier, wenn überhaupt nur das Layout. Alte Debatten werden wieder aus dem Giftschrank geholt, gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausgespielt. Kein Aufbruch, sondern ein Rückschritt. Woran sieht man das konkret?
Hier einige Lowlights und was daran aus unserer Sicht so problematisch ist (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
Vorratsdatenspeicherung
Die „gute“ alte Vorratsdatenspeicherung wurde wieder aus dem Giftschrank geholt. Hierzu ein Zitat aus dem Entwurf: „Um schwerste Straftaten wie sexuellen Kindesmissbrauch oder Terroranschläge zu verhindern, muss es möglich sein, Verbindungsdaten für eine Mindestdauer zu speichern und nach richterlicher Anordnung auszulesen.“ Natürlich müssen die Sicherheitsbehörden – auch im digitalen Raum – handlungsfähig sein, aber zunächst grundlos Daten von unbescholtenen Bürger:innen zu speichern ist aus unserer sich höchst problematisch und nach aktueller Rechtsprechung auch vollständig europarechtswidrig (vgl. BVerwG 6 C 6.22 – Urteil vom 14. August 2023 und Pressemitteilung Nr. 66/2023 vom 07.09.2023 des Bundesverwaltungsgerichts).
Bundeswehr
Zitat: „Die Bundeswehr muss bei Bedarf auch im Inland eingesetzt werden dürfen.“ – ja, richtig gelesen. Das zeigt einmal mehr, dass es hier anscheinend den Traum eines militarisierten Staates gibt. Die deutsche Geschichte hat gezeigt, dass eine parlamentarische Kontrolle des Militärs unerlässlich ist. Die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands muss ohne Frage gewährleistet sein, gerade bei dieser komplexen Weltlage. Anstatt die Bundeswehr aber mit weiteren Aufgaben zu betrauen, sollten vielleicht zunächst die Institutionen, die den Katastrophenschutz und die innere Sicherheit bisher organisieren und sicherstellen mehr unterstützt werden. Die Bundeswehr muss eine Parlamentsarmee bleiben. Was genau die CDU hiermit bezweckt bleibt zunächst offen. Für was genau soll die Bundeswehr im Inland eingesetzt werden? Irgendwann auch bei Demonstrationen?
feministische Perspektive
Es wird hier wieder suggeriert, dass Frauen im öffentlichen Raum besonders von sexualisierter Gewalt bedroht seien. Eine klassische konservative Erzählung. Die meisten Verbrechen gegenüber Frauen passieren nicht im dunklen Park, sondern im engsten persönlichen und privaten Umfeld.
Asyl- und Migrationspolitik
Bezogen auf Asyl und Migration ist nichts anderes als eine totale Abschottung geplant. Europa wird hier zur abweisenden, militärischen Festung mit einer europäischen Grenzarmee. Die CDU spricht sich für den Ausbau der stark umstrittenen EU-Grenzschutzagentur Frontex aus. Spätestens seit den illegalen „Pushbacks“ (das gewaltsame Abdrängen von Booten mit geflüchteten Menschen auf offener See) zurecht sehr in der Kritik. Zitat: „Frontex muss eine echte Grenzpolizei und Küstenwache mit hoheitlichen Befugnissen werden.“ Es wird zudem eindeutig die UN-Flüchtlingskonvention untergraben, in dem die Asylverfahren in sogenannten „sicheren Drittstaaten“ stattfinden sollen und die Personen anschließend dorthin verteilt werden sollen. Das ist einfach nur unmenschlich und zynisch. Richtig heuchlerisch wird es mit folgendem Zitat: „Das europäische Asylrecht ist in der Praxis inhuman: Wer zu alt, zu schwach, zu arm oder zu krank ist, kann sich nicht auf den gefährlichen Weg nach Europa machen. Das jetzige europäische Asylrecht führt somit zu einem Recht des Stärkeren.“ Auf mehreren Ebenen ist diese Aussage zynisch und unmenschlich. Zunächst sagt man aus, dass der Fluchtweg inhuman sei. So weit, so richtig. Darauf wird aber mit noch inhumanerer Abschottung reagiert. Nachdem Motto, wenn es die Schwächeren nicht schaffen, sollen es die Stärkeren auch nicht schaffen dürfen. Was hat das noch mit Humanität oder einem von der CDU – auch in diesem Entwurf des Grundsatzprogramms – so oft erwähnten christlichen Menschenbild zu tun? Eine besorgniserregende Entwicklung. Statt mit Abschottung zu reagieren, muss es legale Fluchtwege geben. Es muss eine solidarische Verteilung innerhalb der EU zu gleichen Standards geben. Staaten, die sich verweigern, dürfen keine EU-Mittel erhalten. Die Forderungen der CDU unterscheiden sich in diesem Punkt nicht wesentlich von denen der AfD. Jens Spahn faselte in den Medien von einer notwendigen „jahrelangen Migrationspause für Deutschland“. Die Menschen fliehen aus ihrer Heimat, da ihnen dort der Tod, Folter oder politische Verfolgung drohen. Weil sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder der Zugehörigkeit zu einer diskriminierten Gruppe verfolgt werden. Sie fliehen nicht weil sie es gerne möchten oder um hier Geld zu erhalten. Niemand setzt sein Leben deshalb aufs Spiel. Vielleicht sollte sich Herr Spahn mal überlegen, was gewesen wäre, wenn er mit seiner sexuellen Orientierung auf der anderen Seite des Mittelmeers geboren worden wäre. Würde er dann auch dortbleiben wollen, wo ihm dafür unter Umständen die Todesstrafe drohen würde?
Abschließend ein Zitat, was angesichts der zuvor geschilderten Vorstellungen doch etwas absurd wirkt: „Die Welt verändert sich, unsere christdemokratischen Grundwerte aber bleiben: Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit.“
Es bleibt abzuwarten, wie das Grundsatzprogramm letztendlich aussieht, aber die bisherigen Überlegungen verheißen nichts Gutes.
Zitate aus folgender Quelle:https://assets.ctfassets.net/nwwnl7ifahow/2EL5GCfZkrwIGaWfsW0zAB/64d5811f7ded113693095b1d7fb0ba67/240113_CDU_GSP_2024_Beschlussfassung_FINAL.pdf